Über Ansichten und Einsichten

Für Rainhard Fendrich ist 2015 ein großes Jahr: der Musiker hat gerade seinen 60. Geburtstag gefeiert, ein neues Album veröffentlicht und arbeitet an einem eigenen Musical.
2015 soll aber auch einer gewissen Einkehr gewidmet sein. Geplant ist eine Reise, von der Fendrich selbst noch nicht weiß, wo sie hingehen wird. „Ich möchte mir zu meinem Sechziger erlauben, für eine gewisse Zeit für niemanden erreichbar zu sein.“ Fendrich braucht Zeit für sich. Und er braucht dieses Jahr auch, um darüber nachzudenken, wie seine künstlerische Lebensplanung aussieht. Sagt er. Umso schöner, dass er sich Zeit genommen hat, um mit dem LUDWIG über sein Leben zu reden.

 

Am 27. Februar haben Sie Ihren 60. Geburtstag gefeiert. Herzlichen Glückwunsch!

 

Danke. Unweigerlich blickt man bei so einem Datum zurück. Allein schon, weil die Zukunft überschaubarer wird. Ich bin mit meinem Leben im Einklang, weil ich mehr erreicht habe, als ich mir erträumt habe, als ich das erste Mal mit einer Gitarre vor ein Publikum trat. Und ich sehe vor mir ein noch nicht ganz erfülltes Leben. In naher Zukunft möchte ich mich mehr dem Schreiben widmen. In den letzten 15 Monaten hatte ich ja insgesamt mehr als 100 Auftritte und das kostet viel Energie. Da macht es Sinn, dass man sich etwas aus der Öffentlichkeit zurückzieht. Aber so für 2016 plane ich wieder eine große Tournee.

 

Würden Sie das unterschreiben: 60 Jahre – etwas leiser und ein bisschen weiser?

 

Nein. Ein wesentlicher Punkt der Kreativität ist ein Sich-Jung-Fühlen. Ich bin besonnener, aber nicht leiser geworden und von Weisheit habe ich noch nichts gespürt.

 

Haben Sie ein spezielles Fitnessprogramm zur Vorbeugung von Beschwernissen des Älterwerdens?

 

Jeder Mensch ist noch bis ins hohe Alter zu körperlichen Höchstleitungen fähig, nur das Limit hat sich reduziert. Ohne Fitness geht’s nicht. Ich habe das in letzter Zeit ein bisschen vernachlässigt. Deshalb habe ich mir vorgenommen, in Zukunft ein Drittel meiner Zeit für die Gesundheit zu verwenden. Das heißt, die Ernährung umzustellen und auch Sachen selber zu kochen. Und das heißt ebenfalls mehr Bewegung wie z.B. Nordic Walking. Das belastet nicht die Gelenke und wenn man das eine Stunde macht, hat man schon Einiges getan. Nach einer Reihe von aufeinanderfolgenden Konzerten verfällt man ja oft in einen gewissen Schlendrian, weil man sich dann irgendwann einmal was Gutes tun möchte. So kommt es schon mal vor, dass ich am Ende einer Tournee in einer Konditorei lande.

 

Thema Ernährung: Sie ernähren sich vegan – seit wann?

 

Vor zwei Jahren habe ich auf meiner Asienreise in Goa einen Mann kennengelernt, der ein Bamboo-Haus-Resort aufgebaut hat. Anfang des Jahres habe ich dort vier Wochen lang eine Ayurveda-Kur gemacht. Ayurveda ist indische Medizin, eine Entgiftung. Grundvoraussetzung ist, dass man keinen Alkohol trinkt, keine tierischen Milchprodukte zu sich nimmt und natürlich auch kein Fleisch isst. Also eine vegane Ernährung. Der Effekt war, dass nach etwa 14 Tagen eine unglaubliche, mentale und körperliche Erleichterung eingetreten ist und ein Wohlbefinden, das ich vorher nicht kannte. Selbst leichte Gelenkschmerzen sind sukzessive weggegangen und ich habe sogar etwas abgenommen. Ich trinke keine Kuhmilch mehr, sondern Hafer- oder etwa Reismilch. Das ist zwar ein wenig gewöhnungsbedürftig, aber es geht einem gut.

 

Was war Ihr unvergesslichster Geburtstag?

 

Der war im dritten Lebensjahr, da bekam ich von meiner Großmutter, die gut schneidern konnte, eine lange Hose mit Taschen. Ich kann mich noch genau erinnern, dass ich den ganzen Tag mit den Händen in den Taschen herumgelaufen bin, um den Leuten zu zeigen, dass ich eine Hose mit Taschen habe. Und die Krönung war, dass ich den Zündschlüssel im alten Opel meines Großvaters umdrehen durfte, während er draußen fluchend an der Kurbel drehte. Da war nichts mehr drüber nachher.

 

Ein schönes Geschenk zum 60. haben Sie sich selbst gemacht – das neue Album „Auf den zweiten Blick“ ...

 

Ja, es gibt Aufnahmen, die nicht so häufig gespielt wurden. Und ich wollte diese Lieder eines 23-Jährigen noch einmal mit meiner jetzigen Stimme singen. Wie man damals gedacht hat, mit dieser jugendlichen Naivität, die wunderbar ist. Es war sehr reizvoll, die Lieder neu aufzunehmen und zu interpretieren. Denn ein Lied ist ja auch wie eine Tür in eine gewisse Epoche.

 

Welches Erlebnis hat Ihr Leben geprägt?

 

Das war ein überraschendes Angebot 1978, als ich beruflich ziemlich planlos war. Plötzlich bekam ich die Chance, im "Theater an der Wien" dem Direktor vorzusingen, der auf der Suche nach einem Gitarrenspieler und Straßensänger für das Musical "Die Gräfin vom Naschmarkt" war. Ich bin reingegangen und war mir sicher, dass ich nach fünf Minuten wieder draußen bin. Das war ich auch - aber ich war engagiert. So habe ich die ersten Schritte auf die Bühne gemacht.

 

Hatten Sie einen Plan B zur musikalischen Zukunft?

 

Den hatte ich nie. Das ist das, was einem im Nachhinein noch immer ein bisserl Angst macht. Weil ich keinen wirklich richtigen Beruf gelernt habe. Zwar habe ich viele Studienrichtungen von Jura, Psychologie, Völkerkunde bis zu Theaterwissenschaft probiert. Doch das waren alles so eine Art Schnupper-Semester. Und ich war heilfroh und glücklich, dass ich dann beim Theater untergekommen bin.

 

Einer Ihrer Songs heißt „Schön shoppen“. Wie gern gehen Sie shoppen?

 

Sicherlich nicht gern, nur wenn ich in Not bin. Das dauert fünf Minuten. Ich frage nach einem Jackett in meiner Größe und dann bin schon wieder draußen. Dieses Einkaufen ist für mich eine Qual, aber das liegt in der Natur des Mannes. Ich schieße mir ein Hemd. Jetzt reduziere ich auch meine Garderobe. Auf vier gute Anzüge und vier Paar Schuhe in verschiedenen Farben. Und dazu noch ein Paar Sneakers - das reicht. Der Rest der Kleidung ist, was man so im Sommer trägt. T-Shirts und Shorts.

 

Kaufen Sie auch im Internet ein? Wie computerfirm sind Sie?

 

Computer und Internet sind für mich notwendige Übel. Das Internet erleichtert das Leben, schränkt es aber andererseits sehr ein. Wie etwa für Künstler. Durch dieses Gefühl, ständig unter Beobachtung zu stehen. Wobei man heute ja mit jedem Handy fotografiert werden kann und zudem permanent Gefahr läuft, irgendwo gepostet zu werden. Mein Computergebrauch beschränkt sich in erster Linie auf die Kommunikation - als eine Art Schreibmaschine, die gleich die Briefe verschickt. Zwei Sachen habe ich sogar mal im Internet gekauft: eine Tiffany-Lampe und eine Gartenleuchte. Internetshoppen ist schon bequem und es kommt jemandem entgegen, der nicht gern shoppen geht.

 

Ok, Shoppen ist also nicht so Ihres … Aber Sie putzen und kochen gerne, richtig?

 

Meine Großmutter hat gesagt: "Wer einen Besen hat, braucht keinen Psychiater". Und das stimmt. Wenn man innerlich aufgewühlt ist und beginnt, sein Bad, seine Wohnung oder seinen Schreibtisch aufzuräumen, bekommt die Ordnung auch innerlich. Vielleicht ist es nur Einbildung, aber mir hilft es. Wenn ich gekocht habe, merkt hinterher niemand, dass ich in der Küche war. Ich kann alles außer bügeln. Meine Kinder sagen schon in Anlehnung an die gleichnamige Fernsehserie `Monk´ zu mir. Vielleicht bin ich ja wirklich ein wenig ein Pedant, was das betrifft. Ich kann im Dreck nicht leben. Zugemüllte Autos sind für mich absolute Gräuel.

 

Zurück zur Arbeit: „I`m From Austria“ ist der Titel eines Musicals, das in Arbeit ist. Wie weit ist das Projekt?

 

Dieses Team ist erste Liga, es ist die Crew von „Ich war noch niemals in New York“. Ich werde aber sicherlich nicht mitspielen, aber ich bin eng eingebunden in den kreativen, inneren Kreis. Es ist mir eine ehrenvolle Herausforderung, dass ein Musical mit meiner Musik entstehen soll. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit den Autoren und dem ganzen Team - möge uns ein heiteres österreichisches Singspiel und eine zauberhafte Komödie gelingen.

 

(Fotos: Dominik Beckmann)