Augen auf, Sonne rein, Mittelfinger hoch und auschecken!

Wie lange machst du schon Musik?

 

So mit 13 sind die ersten Lieder entstanden. Mir war ziemlich schnell klar, dass es mir nicht reicht, Hits am Lagerfeuer nachzuspielen, sondern dass eigenes Zeug her musste. Meine erste Band war eine Punkband. Facetten der Musik haben sich natürlich im Laufe der Zeit geändert, man wird halt erwachsen. Aber vom Prinzip her ist sie gleichgeblieben, weil die Musik, die wir machen, ist halt die, die aus uns rauskommt.

 

War immer klar, dass du deutsch singst?

 

Ja, sowieso. Was anderes war nie eine Option. Ich bin ja der, der die Texte schreibt und versucht, Inhalt reinzubringen. Das ist für mich das Wichtigste und da wäre es total unlogisch, in einer Sprache zu singen, in der ich nicht denke und träume.

Seit ein paar Jahren ist das ja auch wieder salonfähig …

Ja, als ich angefangen hab, hat deutsche Musik wirklich kein Schwein interessiert. Aber das war mir egal. Eine junge Band hat es so oder so schwer, ob mit deutschen oder englischen Texten. Aktuell ist deutsche Musik ja total angesagt, was mich auch schon wieder nervt. Das wird jetzt gnadenlos ausgeschlachtet. Ich wäre eigentlich ganz froh, wenn das wieder vorbei ist (lacht).

 

War immer klar, dass du den Weg der Musik gehen willst?

 

Eigentlich war das gar keine Frage, weil es das erste und einzige Ding war, von dem ich sicher wusste, dass es eine Leidenschaft ist, etwas, das ich wirklich mit Herzblut mache. Da bin ich eigentlich eh ziemlich privilegiert, dass ich das weiß. Dann hat man aber auch keine Option, man muss genau das machen. Alles andere, Ausbildung, Studium, Job, da kann man halt immer nur versuchen, den bestmöglichen Kompromiss zu finden.

 

Seid ihr mittlerweile hauptberuflich VAIT?

 

Nein, wir arbeiten alle noch in unseren Berufen … als Musikjournalist, als Musikproduzent, ich bin Erzieher. Wobei ich jetzt nur noch Musikunterricht gebe. Wir verfolgen einen Kollektivgedanken: Wir verdienen alle eigenes Geld in einem echten Job (lacht). Und das Geld, das die Band umsetzt, kommt in einen Topf. Das macht uns unabhängig. Natürlich braucht man dafür einen Job, der einem die nötige Flexibilität ermöglicht … Und seit drei Jahren gibt es keine Urlaube mehr, Beziehungen leiden darunter.

 

Kann man das jahrelang durchhalten?

 

Man muss seine Zeit schon bewusster strukturieren – und vielleicht hier und da auch mal andere Prioritäten setzen. Wenn einer von uns sagt, er ist nächstes Jahr drei Wochen in Thailand, dann ist das fix, egal, was kommt. Da machen wir dann eben alle Urlaub und nehmen keine Termine an. Aber es muss halt lange im Voraus geplant werden. Ohne absolute Leidenschaft ist das nicht möglich. Man muss halt immer wieder neu ausloten, ob alle wichtigen Dinge im Leben noch den nötigen Raum haben.

Irgendwann müsst ihr euch vielleicht entscheiden ...

Natürlich ist es unser Ziel, dass wir irgendwann nur noch Musik machen. Andererseits ist es gut, wenn man als Musiker auch weiter einen Platz in der realen Welt hat, wo man eine bestimmte Struktur hat, wo man sich andere Gedanken machen muss, wo man nicht der tolle Hengst ist. Das erdet und gibt außerdem neuen Input fürs Schreiben.

 

Und die Angst vor dem Fall ist nicht so groß …

 

Voll! Dass das Ganze nicht so extrem auf Geld ausgelegt ist, macht uns emotional extrem flexibel. Wir können größere Risiken eingehen, weil die Höhe der Gagen nicht darüber entscheidet, ob wir am Ende des Monats unsere Familien ernähren zu können. Für uns ist wichtig, dass das Wirtschaftliche nicht die Kreativität und die Lust an der Musik hemmt. Aber wenn man Kunst professionalisiert, dann ist es immer eine Gratwanderung.

 

Ihr lebt alle hier in der Region. Muss man als Musiker nicht in eine Großstadt?

 

Ich habe acht Jahre in München gelebt und war richtig froh, als ich wieder in Aibling war. Ich mag das Dezentrale. Es ist ein Trugschluss zu denken, dass man in der Großstadt als Musiker besser aufgehoben ist. Dass man nach Berlin muss, um Karriere zu machen. Klar hast du da alle Strukturen gebündelt, aber du wohnst halt in irgendeinem Haus und kennst deine Nachbarn nicht. Hier ist geografisch vielleicht alles weiter auseinander, aber von den Leuten her viel kompakter. Wobei wir schon manchmal hören, Mensch, sagt halt wenigstens, ihr seid aus München, weil die Leute interessiert doch keine Band aus Aibling.

 

Geschichten findet man auf dem Land auf jeden Fall genauso ...

 

Klar. Ich finde sogar, dass der Chiemgau ein sehr fruchtbarer Boden zum Erleben und Texten ist. Denn obwohl es bei uns total schön ist, gibt es natürlich politisch oder tagesaktuell Themen, über die man sich ärgern und über die man nachdenken kann. Und es ist gut, dass wir das in dieser tollen Region machen können, wo es sich lohnt, sich mit bestimmten Dingen auseinanderzusetzen oder für sie zu kämpfen.

 

Du hast so ein herrlich rollendes R – Makel oder Markenzeichen?

 

Bei der letzten Platte hatten wir tatsächlich die Diskussion, ob man versucht, dieses rollende R zu unterdrücken oder wegzutrainieren. Bis wir uns irgendwann gedacht haben, geht’s eigentlich noch? Das ist total wurscht. Es kann ja nicht sein, dass man anfängt, bei Sachen, die einen ausmachen, rumzudoktern …Mei, die einen nervt es, die anderen finden es cool.

 

Aber in Dialekt singen war nie ein Thema?

 

Ich bin ja nicht der klassische Bayer. Meine Eltern kommen ursprünglich aus Nordreinwestfalen. Ich bin quasi bilingual aufgewachsen (lacht). Aber es stand schon zur Debatte. Wir haben uns dagegen entschieden. Es gibt mittlerweile auch so viele Bands, die auf diesen Zug aufgesprungen sind – da hätten wir gar keinen Bock mehr drauf.

 

Dein Tipp für die Region: Was machst du am liebsten?

 

Nix (lacht). Ich bin eh ständig unter Leuten. Aber die Berge sind natürlich toll, die sind das Beste, was wir hier haben.

 

Fotos: Michael Colella